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1 Inhalt

2 Einführung

Es war schon immer das Ziel der Naturwissenschaften, Ursache und Wirkung in Zusammenhang zu bringen. Es gibt viele Naturphänomene, bei denen das problemlos möglich ist (zum Beispiel läßt sich leicht voraussagen, daß ein Stein, den man fallenläßt nach unten fällt). Es gibt jedoch auch Phänomene, bei denen das nicht so einfach möglich ist. Als anschauliches Beispiel kann man das Wetter beobachten. Jeder weiß aus eigener Erfahrung, daß sich das Wetter des nächsten Tages nicht mit absoluter Sicherheit voraussagen läßt. Aber auch ein einfacheres Beispiel wie der Wurf eines Würfels reicht zur Demonstration eines zufälligen oder stochastischen Phänomens. Bis vor einiger Zeit ging man davon aus, daß sich solche Situationen zumindest prinzipiell berechnen lassen, wenn man nur genügend Daten sammelt und verarbeitet. Um beim Beispiel des Würfelns zu bleiben: Es dürfte durchaus möglich sein, mit großem technischen Aufwand den Wurf eines Würfels so zu organisieren, daß das Ergebnis mit Sicherheit zu berechnen ist. Dieser Standpunkt ist jedoch im Laufe dieses Jahrhunderts, vor allem in den letzten Jahren, immer mehr ins Wanken gekommen. Man entdeckte, daß selbst einfache deterministische Systeme aus nur wenigen Teilen ein stochastisches Verhalten erzeugen können. Dieses Zufallsverhalten ist prinzipieller Natur und läßt sich auch durch immer weiteres Sammeln von Informationen nicht berechnen. Man nennt dieses Zufallsverhalten, das zwar noch von einem Rest an Ordnung durchdrungen ist und nach festen Gesetzen entsteht, dessen Verlauf aber nicht vorhersagbar ist deterministisches Chaos. Mittlerweile hat sich herausgestellt, daß dieses Chaos in vielen Bereichen der Naturwissenschaften vorkommt. In der Physik findet es sich zum Beispiel bei der Schwingung von Doppelpendeln, bei verschiedenen Strömungen, bei Planetenbahnen in Doppelsternsystemen oder sogar bei einem tropfenden Wasserhahn. In der Biologie ist es vor allem bei der Entwicklung von Populationen vertreten, deren Schwankungen teilweise recht chaotisch sind. Sogar in der Kriegsforschung wird mit Modellen aus der Chaosforschung gearbeitet und die Medizin findet das Chaos in EKGs von Patienten mit Herzflimmern. In der Mathematik wird das Wesen dieser Vorgänge untersucht und man stellt fest, daß es sich durchweg um Rückkopplungsvorgänge handelt. Untersucht man Modelle solcher Rückkopplungen anhand der Iteration von Funktionen, findet man selbst dort ein Chaos – ein Begriff, der in der Mathematik sonst eher ungewöhnlich ist. Daß sich daraus dann auch noch bunte Bilder ergeben und man durch reines Experimentieren mathematische Entdeckungen machen kann, dürfte so manchen, der nur die “trockene” Schulmathematik kennt, dann vollends überraschen.

3 Grundlagen

3.1 Iteration reeller Funktionen

Iterieren einer Funktion heißt:
  1. Zu gegebenem Startwert x0 den Funktionswert x1 = f (x0) berechnen.
  2. Den Wert x1 als neuen Startwert betrachten und Schritt 1 wiederholen.

Beispiel:
f(x) = λ · x, λ > 0
x1 = f(x0) = λ · x0
x2 = f(x1) = f(λ · x0) = λ · λ · x0 = λ² · x0
x3 = f(x2) = f(λ² · x0) = λ² · λ · x0 = λ³ · x0
...

Allgemein:
x1 = f(x0)
x2 = f(x1) = f ° f(x0)
...
xn = f(xn-1) = f ° f ° ... ° f(x0) = fn(x0)

Beispiele:
f(x) = E:\Eigene Dateien\Privat\facharbeit\facharbeit02.wmf
x0 = 2, x1 = E:\Eigene Dateien\Privat\facharbeit\facharbeit03.wmf, x2 = E:\Eigene Dateien\Privat\facharbeit\facharbeit04.wmf, ..., xn = E:\Eigene Dateien\Privat\facharbeit\facharbeit05.wmf
Für n → ∞ konvergiert diese Folge nach 0.
f(x) = 3x divergiert für n → ∞ nach +∞.
f(x) = x + c divergiert abhängig von c nach +∞ oder -∞.
f(x) = x² zeigt folgendes Verhalten:
E:\Eigene Dateien\Privat\facharbeit\facharbeit06.wmf
Das Verhalten dieser Funktion ist also abhängig vom Startwert.

3.2 Graphische Iteration

Der Graph einer Funktion f(x) wird zur graphischen Iteration in ein Koordinatensystem eingetragen. Man beginnt mit einem Startwert für x und geht in der Zeichnung nach oben (oder unten), bis man auf den Graphen trifft. An der y-Achse läßt sich dann f(x) ablesen, das man als nächsten Ausgangswert einsetzt. Der Wert muß also wieder an der x-Achse abgetragen werden. Dazu verwendet man die 1. Winkelhalbierende, deren Gleichung bekanntlich y=x ist. Von dem Punkt auf dem Graphen mit den Koordinaten (x|f(x)) geht man nach rechts (oder links), bis man auf die Winkelhalbierende stößt. Die Koordinaten sind dann (f(x)|f(x)). Von dort aus geht man wieder senkrecht bis zum Graphen und wieder waagerecht zur Winkelhalbierenden und so weiter. Der Vorgang kann beliebig oft wiederholt werden.

3.3 Begriffe

Die Definitionen sind im Wesentlichen aus [1] übernommen.

3.3.1 Orbit:

Der Orbit Ox eines Punktes x ist die Folge der Iterierten von x:
Ox := { x, f(x), f(f(x)), ..., fn(x), ... }
Der Grenzwert eines Orbits (falls existent) ist definiert als Grenzwert der Folge der Iterierten von x: E:\Eigene Dateien\Privat\facharbeit\facharbeit07.wmf

3.3.2 Fixpunkt:

Ein Punkt x heißt Fixpunkt der Periode 1 (oder einfach Fixpunkt) von f, wenn gilt f(x) = x (damit gilt auch fn(x) = x für alle n) und Fixpunkt der Periode k, wenn gilt fk(x) = x.
Ein Punkt x heißt Fast-k-Fixpunkt von f, wenn gilt fk+1(x)= fk(x) aber fn+1(x) ≠ fn(x) für alle n < k (Spezialfall: Fast-0-Fixpunkte sind genau die Fixpunkte von f).
Bildlich gesehen ist ein Fixpunkt der Periode 1 ein Punkt auf dem Graphen, von dem man “nicht mehr wegkommt”, auch wenn man noch so oft iteriert. Da die Gerade y=x (1. Winkelhalbierende) genau diese Bedingung erfüllt, findet man solche Fixpunkte immer an den Schnittpunkten der Funktion mit der ersten Winkelhalbierenden. Ein Fixpunkt höherer Periode wird zwar wieder verlassen, aber nach einer bestimmten Zahl weiterer Iterationen wieder erreicht.

3.3.3 Attraktor und Repellor:

Ein Fixpunkt x heiß Attraktor (anziehender Fixpunkt), wenn es eine Umgebung Uδ(x) gibt, so daß für alle y ε Uδ gilt: Der Grenzwert des Orbits Oy ist x.
Ein Fixpunkt x heiß Repellor (abstoßender Fixpunkt), wenn es eine Umgebung Uδ(x) gibt, so daß für alle y ε Uδ gilt: Der Grenzwert des Orbits Oy ist nicht aus Uδ(x).
Graphisch gesehen bewegt man sich mit jeder Iteration weiter auf einen Attraktor zu, bis man ihn evtl. erreicht. Von einem Repellor bewegt man sich immer weiter weg.
Für einen attraktiven Fixpunkt p heißt das maximale Intervall der x-Werte, deren Orbit nach p konvergiert, Einzugsbereich des Attraktors p. Wird eine Funktionenfamilie (abhängig z. B. vom Parameter µ) betrachtet, so heißt für einen Fixpunkt p das maximale µ-Intervall, für das p ein Attraktor ist, der Stabilitätsbereich des Attraktors p.

3.4 Hauptsätze

Die Funktion f(x) sei beliebig oft stetig differenzierbar (stetig differenzierbar heißt, daß die Ableitungen stetig sind). Weiter sei der Punkt p Fixpunkt der Periode n⊂N, also fn(p) = p.

Satz 1: Wenn gilt | (fn)’(p) | < 1, dann ist p Attraktor.
Beweis (nach [1]):
Für die Periode 1: f(p) = p und | f’(p) | < 1.
Erste Iteration:
Wegen der Stetigkeit von f’(x) gibt es für alle x in einem hinreichend kleinen Intervall U = ] p - ε, p + ε [ ein A < 1 mit | f’(x) | < A. Mit f(p) = p und x ⊂ U ergibt sich | f(x) - p | = | f(x) - f(p) |.
Nach Anwendung des Mittelwertsatzes[1] ergibt sich daraus folgende Gleichung:
| f(x) - f(p) | = | f’(ξ) | · | x - p |
Dabei ist ξ eine Stelle zwischen x und p. Also gilt f’(ξ) < A < 1.
Insgesamt folgt daraus: | f(x) - p | = | f(x) - f(p) | < A | x - p | < A · ε < ε.
Wegen | f(x) - p | < ε gilt f(x) ⊂ U und wegen | f(x) - p | < | x - p | liegt f(x) sogar näher an p als x.
Bei den weiteren Iterationen ergibt sich | fn(x) - p | < An | x - p |. Daraus folgt wegen A < 1 die Existenz des angegebenen Grenzwertes.

Satz 2: Wenn gilt | (fn)’(p) | > 1, dann ist p Repellor.
Der Beweis verläuft analog zu dem des ersten Hauptsatzes.

4 Die logistische Funktion

Ein Anwendungsbeispiel für die Iteration ist die Untersuchung der Entwicklung von Tierpopulationen. In einem Räuber-Beute-Modell schwankt die Anzahl der Räuber und der Beutetiere immer entgegengesetzt. Um diese Entwicklung zu beschreiben braucht man eine Funktion, die nicht ins Unendliche wächst und bei der die Population auch nicht ausstirbt. Pierre-Francois Verhulst (1804-1849) fand folgende Funktion:
fµ(x )= x + µ x (1-x) mit µ > 0 (logistische Funktion)
Betrachtet man das Verhalten dieser Funktion bei der Iteration, so läßt sich ein interessantes Verhalten feststellen: Je nach Wert des Parameters µ hat diese Funktion entweder einen Fixpunkt, mehrere Fixpunkte oder gar keinen.
Die Funktion läßt sich zur weiteren Betrachtung vereinfachen, indem a = µ + 1 gesetzt wird. Es ergibt sich folgende (quadratische) Funktion: fa(x) = a x (1-x).
Man beobachtet jetzt für verschiedene Intervalle von a ein unterschiedliches Verhalten bei der Iteration.

4.1 Der Bereich 0 < a < 1

Es gibt zwei Fixpunkte der Periode 1, nämlich den Ursprung 0 und p = E:\Eigene Dateien\Privat\facharbeit\facharbeit09.wmf < 0. Der Ursprung ist Attraktor, der Punkt p Repellor.
Beweis:
Mit f’(0) = a < 1 und f’(p) = 2- a > 1 ist nach den beiden Hauptsätzen der Beweis erbracht.

4.2 Der Fall a = 1

Die Parabel liegt unterhalb der 1. Winkelhalbierenden und hat nur einen Punkt mit ihr gemeinsam, nämlich den Punkt (0|0). Dieser Punkt ist also der einzige Fixpunkt der Funktion. Für 0 < x < 1 ist der Fixpunkt anziehend, anderenfalls abstoßend.
Beweis:
Weil f’(0) = 1 ist, können die beiden Hauptsätze nicht zum Beweis herangezogen werden. Der einfachste Beweis führt in diesem Fall über die graphische Iteration durch ausprobieren. Man kann leicht erkennen, daß bei Startwerten im Bereich 0 < x0 < 1 die graphische Iteration treppenförmig auf den Ursprung zuläuft.
Der Punkt 1 bleibt, wie bei a < 1 abstoßender fast-1-Fixpunkt, das heißt, bei einem x-Wert von 1 landet man nach einer Iteration direkt auf dem Ursprung und bleibt dort auch nach weiteren Iterationen stehen.
Eine graphische Iteration für a=1 also für f(x) = x (1-x) führt nach 20 Iterationsschritten mit dem Startwert x0 = 0,5 zu folgendem Bild:
E:\Eigene Dateien\Privat\facharbeit\facharbeit10.png
Abb. 4.1: Iteration für a=1.0 mit Startwert 0.25

4.3 Der Bereich 1 < a < 3

In diesem Bereich ist nur das Intervall [0,1] für x interessant, weil für x < 0 und x > 1 stets E:\Eigene Dateien\Privat\facharbeit\facharbeit11.wmf gilt.
Es ergeben sich zwei Fixpunkte der Periode 1, da sich Parabel und Diagonale zweimal schneiden.
Der Ursprung ist Repellor, der Punkt p=E:\Eigene Dateien\Privat\facharbeit\facharbeit09.wmf ist Attraktor.
E:\Eigene Dateien\Privat\facharbeit\facharbeit12.png E:\Eigene Dateien\Privat\facharbeit\facharbeit13.png
Abb. 4.2: Iteration für a=1.6 und x0=0.15 Abb. 4.3: Iteration für a=2.8 und x0=0.25

Wenn 1 < a ≤ 2 ist, beobachtet man eine treppenstufenförmige Annäherung an den Attraktor, wenn 2 < a < 3 ist ergibt sich eine Spirale.

4.4 Der Bereich a > 3

In diesem Bereich wird die Dynamik wesentlich komplizierter. Es gibt dramatische Veränderungen.
Auch hier sind die Punkte 0 und p noch Fixpunkte der Periode 1, jedoch mit abstoßendem Charakter.
Hier gibt es jetzt jedoch auch Fixpunkte der Periode 2, das heißt es gibt zwei Punkte auf der Funktion, auf die man immer wieder abwechselnd gelangt. Um diese zu finden, muß die Funktion f2(x) = f(f(x)) = a2 x ( 1 - x ) ( 1 - ax ( 1- x) ) untersucht werden. Man muß also die Lösung zu f2(x) = x finden. Es ergeben sich zwei reelle voneinander verschiedene Lösungen für a > 3. Wenn a sogar größer als 1 + E:\Eigene Dateien\Privat\facharbeit\facharbeit14.wmf = 3,449... wird, gibt es Fixpunkte der Periode 4. Es hat also eine Periodenverdopplung stattgefunden.
In der folgenden Abbildung sind nur die 100. bis 200. Iteration dargestellt, die ersten 100 Iterationen wurden zwecks besserer Übersicht ausgeblendet, so daß das Einpendeln nicht erscheint.

E:\Eigene Dateien\Privat\facharbeit\facharbeit15.png E:\Eigene Dateien\Privat\facharbeit\facharbeit16.png
Abb. 4.4: Graphische Iteration für a=3.4 (links) bzw.3.5 (rechts) mit Startwert 0.1 nach 200 Iterationen (davon 100 unsichtbar). Periodenlänge ist 2 bzw. 4.

5 Das Feigenbaum-Diagramm

Wenn man a schrittweise erhöht, bemerkt man noch weitere Periodenverdopplungen. Um dies anschaulich darzustellen wechselt man das Koordinatensystem. Auf der x-Achse trägt man den Parameter a auf und auf der y-Achse die x-Werte der Attraktoren. Die entstehende Grafik nennt man nach ihrem “Erfinder” Mitchell J. FEIGENBAUM Feigenbaum-Diagramm. Bei jeder Periodenverdopplung gabelt sich der Graph, man spricht daher auch von einer Bifurkation (lat. furka = Heugabel).
Diese Zahlen lassen sich von Hand schon nur noch schwer errechnen. Wenn die Perioden eine Länge von 8 und mehr erreichen, ist die Rechnung schon extrem aufwendig. Um das gesamte Feigenbaum-Diagramm wie oben dargestellt zu erstellen, ist schon ein enormer Rechenaufwand nötig. Was liegt also näher, als den Rechenknecht Computer darauf anzusetzen. Dabei läßt man den Rechner eine bestimmte Zahl von Iterationen durchführen (je mehr es sind, desto genauer wird das Bild), bei denen er noch nichts zeichnet (wieder um das Erscheinen des Einpendelns zu verhindern). Danach läßt man ihn wiederum eine bestimmte Anzahl Iterationen durchführen, bei denen er jeweils den x-Wert in das Diagramm einzeichnet. Die hier gezeigte Abbildung entstand mit dem in Anhang A abgedruckten PASCAL-Programm mit 1000 unsichtbaren und 100 sichtbaren Iterationen.
E:\Eigene Dateien\Privat\facharbeit\facharbeit17.png
Abb. 5.1: Feigenbaum-Diagramm im Bereich a=0 bis a=4 mit Kennzeichnung der ersten beiden Bifurkationen bei a=3 und a=1+E:\Eigene Dateien\Privat\facharbeit\facharbeit18.wmf.

5.1 Die Feigenbaum-Konstante

Feigenbaum fand auch eine wichtige Konstante, die nach ihm benannt wurde. Die Feigenbaum-Konstante δ berechnet sich folgendermaßen (wenn man die i-te Bifurkation als bi bezeichnet):
E:\Eigene Dateien\Privat\facharbeit\facharbeit19.wmf
Auf den ersten Blick ist das bloß ein Zahl, die das Verhalten der logistischen Funktion bei der Iteration beschreibt. Feigenbaum zeigte jedoch durch seine Forschungen, daß diese Zahl universell ist und auch bei anderen Funktionen auftaucht. Die Zahl konnten nur mit dem Computer ermittelt werden. Oscar E. LANFORD fand zwar 1982 einen mathematischen Beweis, kam aber auch nicht ohne Computer aus [1].
Auch der Abstand zwischen den einzelnen “Gabelzinken” (bezeichnet als di für die i-te Bifurkation) ergibt eine ähnliche (ebenfalls universelle) Konstante, wenn man sie in folgendes Verhältnis setzt:
E:\Eigene Dateien\Privat\facharbeit\facharbeit20.wmf

5.2 Das Chaos

Bei der logistischen Funktion beobachtet man Bifurkationen bis a=3.5699... . Dieser Wert wird als b bezeichnet und läßt sich nur durch Ausprobieren finden. Wenn a> b wird, wird das Verhalten bei der Iteration chaotisch, wie auch im Feigenbaum-Diagramm leicht zu erkennen ist. Die Werte springen wild durcheinander und das Verhalten scheint absolut unverhersagbar zu werden. Eine graphische Iteration in diesem Bereich läßt dies gut erkennen:
E:\Eigene Dateien\Privat\facharbeit\facharbeit21.png
Abb. 5.2: Graphische Iteration für a=3.8 mit Startwert 0.6 nach 100 Iterationen
E:\Eigene Dateien\Privat\facharbeit\facharbeit22.png
Abb. 5.3: Dieselbe graphische Iteration nach 5000 Iterationen

In den Abbildungen erkennt man deutlich, daß nach einer großen Anzahl von Iterationen fast jeder Wert der Funktion einmal erreicht worden ist. Das Verhalten ist also absolut chaotisch und es ist kein Attraktor zu erkennen.
Betrachtet man das Feigenbaum-Diagramm genau, so fällt ein weißer Bereich um a=3.84 auf. In diesem Bereich scheint sich tatsächlich wieder eine Ordnung zu ergeben. Für a=3.84 ist die Periodenlänge = 3. Gut zu erkennen ist dies auf einer Ausschnittsvergrößerung des Bereiches 3.84 bis 3.852:
E:\Eigene Dateien\Privat\facharbeit\facharbeit23.png
Abb. 5.4: Feigenbaum-Diagramm im Bereich a=3.84 bis a=3.852.

Führt man für a=3.84 eine graphische Iteration durch, läßt sich diese Periode tatsächlich erkennen.
E:\Eigene Dateien\Privat\facharbeit\facharbeit24.png
Abb. 5.5: Iteration für a=3.84 mit Startwert 0.1
nach 200 Iterationen (davon 100 unsichtbar)
Interessanterweise findet man in diesem Bereich mit 3 eine ungerade Periodenlänge, während der erste Bifurkationsbereich nur gerade Periodenlängen aufzuweisen hatte (außer der 1). Nach der ersten folgenden Bifurkation wird diese aber (notwendigerweise) wieder gerade. An anderen Stellen im Feigenbaum-Diagramm finden sich jedoch nach dem Satz von A. N. SARKOWSKII auch Periodenlängen für alle n aus N [1].

Streckt man den Ausschnitt des Feigenbaum-Diagrammes auch in y-Richtung, so macht man eine verblüffende Entdeckung: Man erhält (fast) dasselbe Bild wie vor der Vergrößerung (siehe Abb. 5.6 und 5.7). Diese Phänomen nennt man Selbstähnlichkeit.

E:\Eigene Dateien\Privat\facharbeit\facharbeit25.png E:\Eigene Dateien\Privat\facharbeit\facharbeit26.png
Abb. 5.6: Feigenbaum-Diagramm im Intervall Abb. 5.7: Feigenbaum-Diagramm im Intervall
[0.45;0.55] für y, [3.84;3.856] für a [0.0;1.0] für y, [2.8;4.0] für a

6 Selbstähnlichkeit fraktaler Punktmengen

6.1 Definition der Selbstähnlichkeit (aus [1])

Eine Punktmenge M heißt selbstähnlich, wenn man endlich viele echte Teilmengen Ti Teilmenge M mit uTi = M finden kann, so daß für alle i gilt M = alphai (Ti). Dabei sind alphai Ähnlichkeitsabbildungen.

6.2 Selbstähnlichkeitsdimension

Die klassische Definition der Dimension lautet: E:\Eigene Dateien\Privat\facharbeit\facharbeit27.wmf. Dabei ist N die Anzahl der Substitutionsabschnitte und k der Skalierungsfaktor. An einem Beispiel für 3-Dimensionalität sei dies hier kurz gezeigt. Ein Würfel der Seitenlänge 4 cm besteht aus 64 Würfel der Seitenlänge 1 cm. Der Skalierungsfaktor ist also k=4, die Anzahl der Würfel ist N=64. Die Dimension ist also E:\Eigene Dateien\Privat\facharbeit\facharbeit28.wmf d kann auch keine natürliche Zahl sein. Man spricht dann von einer fraktalen Punktmenge. Diese Formel läßt sich noch folgendermaßen umformen: E:\Eigene Dateien\Privat\facharbeit\facharbeit29.wmf Daraus ergibt sich: E:\Eigene Dateien\Privat\facharbeit\facharbeit30.wmf Als Beispiel wird im Folgenden das Sierpinski-Dreieck betrachtet.

6.3 Das Sierpinski-Dreieck


Abb. 6.1: Entstehung des Sierpinski-Dreiecks (aus [4])

Die Konstruktionsvorschrift für das nach Waclaw SIERPINSKI benannte Dreieck lautet folgendermaßen:
Ausgangspunkt ist ein gleichseitiges Dreieck. Man wiederholt die folgenden Schritte:

  1. die Mittelpunkte der Dreieckseiten geradlinig miteinander verbinden
  2. das mittlere der auf diese Weise gebildeten Dreiecke entfernen
Dieses Verfahren wird bei jedem Schritt auf alle noch vorhandenen Dreiecke angewendet (s. Abb. 6.1).
Das Ergebnis ist ein “durchlöchertes” Dreieck, das einige bemerkenswerte Eigenschaften hat.

6.3.1 Fläche des Sierpinski-Dreiecks

Bezeichnet man den Flächeninhalt der Ausgangsfläche mit A und die Flächeninhalte des Sierpinski-Dreiecks nach der i-ten Durchführung mit Fi, läßt sich der Flächeninhalt der “fertigen” Figur (also nach unendlich vielen Entfern-Vorgängen) berechnen:
F2 = A - δ2 2 ist die Fläche, die entfernt wird, und damit E:\Eigene Dateien\Privat\facharbeit\facharbeit31.wmfA)
F2 = E:\Eigene Dateien\Privat\facharbeit\facharbeit32.wmfA
F3 = F2 – 3 · δ33 = E:\Eigene Dateien\Privat\facharbeit\facharbeit33.wmfδ2)
F3 = F2 - E:\Eigene Dateien\Privat\facharbeit\facharbeit34.wmfδ2 = E:\Eigene Dateien\Privat\facharbeit\facharbeit35.wmf
F4 = F3 – 3² · δ4 = E:\Eigene Dateien\Privat\facharbeit\facharbeit36.wmf
Allgemein gilt:
Fn = E:\Eigene Dateien\Privat\facharbeit\facharbeit37.wmf
Betrachtet man die Fläche nach unendlich vielen Schritten ergibt sich ein erstaunliches Ergebnis:
E:\Eigene Dateien\Privat\facharbeit\facharbeit38.wmf

Es bleibt also keine Fläche übrig!

6.3.2 Länge des Randes des Sierpinski-Dreiecks

Wenn man keine Dreiecksseiten mehrfach zählt und von einem Ausgangsrand von R1 = U ausgeht läßt sich der Rand nach n Schritten folgendermaßen berechnen:
R2 = R1 +
E:\Eigene Dateien\Privat\facharbeit\facharbeit39.wmf
R1 =
E:\Eigene Dateien\Privat\facharbeit\facharbeit40.wmf
(weil die Seitenlängen immer halbiert werden)
R3 = R2 +
E:\Eigene Dateien\Privat\facharbeit\facharbeit39.wmf
R2 =
E:\Eigene Dateien\Privat\facharbeit\facharbeit41.wmf

Daraus folgt allgemein:
Rn = Rn-1 +
E:\Eigene Dateien\Privat\facharbeit\facharbeit39.wmf
Rn-1 =
E:\Eigene Dateien\Privat\facharbeit\facharbeit42.wmf

Betrachtet man auch hier den Grenzwert nach unendlich vielen Schritten darf man sich erneut wundern:
E:\Eigene Dateien\Privat\facharbeit\facharbeit43.wmf

Der Rand wird also unbegrenzt immer länger.

6.3.3 Dimension des Sierpinski-Dreiecks

Wie in den beiden vorherigen Kapiteln gezeigt wurde, hat das Sierpinski-Dreieck keine Fläche, aber einen unendlich langen Rand. Das heißt, es ist mehr als eindimensional, aber weniger als zweidimensional. Es hat also eine gebrochene (fraktale) Dimension.
Nach der Formel für die Selbstähnlichkeitsdimension (das Sierpinski-Dreieck ist selbstähnlich) berechnet sich die Dimension folgendermaßen:
Anzahl der Substitutionsabschnitte: N = 3 (aus einem Dreieck werden drei)
Skalierungsfaktor: k = 2 (die Seitenlängen sind dann halb so lang)
E:\Eigene Dateien\Privat\facharbeit\facharbeit27.wmf= E:\Eigene Dateien\Privat\facharbeit\facharbeit44.wmf

6.4 Die Sierpinski-Pyramide


E:\Eigene Dateien\Privat\facharbeit\facharbeit45.wmf

Abb. 6.2: Sierpinski-Pyramide (aus [1])

Die Konstruktionsvorschrift ist ähnlich der des Sierpinski-Dreiecks:
Ausgangspunkt ist ein regulärer Tetraeder. Man wiederholt die folgenden Schritte:

  1. die Mittelpunkte der Seiten geradlinig miteinander verbinden
  2. den entstehenden Oktaeder entfernen
Dieses Verfahren wird bei jedem Schritt auf alle noch vorhandenen Tetraeder angewendet.

Das Ergebnis ist eine durchlöcherte Pyramide (s. Abb. 6.2).
Berechnet man die Dimension der Sierpinski-Pyramide, macht man die erstaunliche Entdeckung, daß diese nicht fraktal ist, sondern ganzzahlig, wie sich aus folgender Rechnung ergibt:
Anzahl der Substitutionsabschnitte: N = 4 (aus einem Tetraeder werden vier)
Skalierungsfaktor: k = 2 (die Seitenlängen sind dann halb so lang)

E:\Eigene Dateien\Privat\facharbeit\facharbeit27.wmf
=
E:\Eigene Dateien\Privat\facharbeit\facharbeit46.wmf

Erstaunlicherweise ist die Sierpinski-Pyramide also zweidimensional. Stellt man einige Überlegungen zu Volumen, Oberfläche und Rand der Pyramide an, läßt sich dies auch geometrisch erschließen. Ich verzichte hier auf eine weitere detaillierte Rechnung und stelle fest: Das Volumen geht gegen null, das heißt, die Dimension ist kleiner als 3. Der Rand wird unendlich lang, das heißt die Dimension ist größer als 1. Die Oberfläche bleibt überraschenderweise konstant, wie man leicht am Bild erkennt, also ist die Dimension tatsächlich 2.

7 Die fraktale Dimension

7.1 Die Küstenlinie Englands

E:\Eigene Dateien\Privat\facharbeit\facharbeit47.wmf
Abb. 7.1: Approximation mit fester Zirkelweite (aus [1])

Ein interessantes und beliebtes Beispiel für die Dimensionsberechnung ist die Küstenlinie Englands. Diese ist zwar nicht selbstähnlich, aber auch sehr zerklüftet. Hat sie also möglicherweise auch eine fraktale Dimensionszahl? Auf dem Weg zur Beantwortung dieser Frage, muß erst einmal die Länge der Küste Englands ermittelt werden. Hierbei macht man eine erstaunliche Entdeckung: die Küste Englands ist unendlich lang. Diese Ergebnis erhält man, wenn man durch rein empirisches Vorgehen die Küste Englands abmißt. Dazu verwendet man einen Stechzirkel der Öffnungsweite r. Man approximiert die geschlängelte Küste also durch einen Polygonzug mit lauter gleich langen Seiten (s. Abb. 7.1). Je kleiner man die Zirkelöffnung wählt, um so länger wird die Küste (das heißt, die Küste wird natürlich nicht länger, aber man erhält ein größeres Meßergebnis), weil ja auch kleinere Buchten abgezirkelt werden. Wenn r die Länge einer Polygonseite angibt und N(r) ihre Anzahl, dann gilt für die Gesamtlänge des Polygonzuges L(r) = r N(r). Trägt man die Funktion L(r) in ein doppeltlogarithmisches Koordinatensystem ein und verbindet die Punkte durch ein Gerade, so kann man deren Steigung angeben. Lewis F. RICHARDSON (1881-1953) ermittelte für die Küste Englands m ≈ -0.23. Betrachtet man den Grenzwert der Funktion für r → 0 so ergibt sich, daß x = ln r → -∞ und y = ln L(r) → +∞, also L → +∞. Die Küste Englands (und natürlich jede andere Küste) ist also unendlich lang bzw. ihre Länge nicht meßbar. Will man jetzt die Dimension berechnen, muß man sich etwas einfallen lassen. Zuerst geht man vom einfachsten Fall aus, nämlich einer Küstenlinie in Form einer Geraden. m ist dann 0, weil bei Veränderung von r die Länge L konstant bleibt. Die Dimension (nach dem klassischen Dimensionsbegriff) ist dann 1. Die Definition, die jetzt festgelegt wurde setzt m = 1 - d. Die Küste Englands hat dann die Dimension d =1.23.... Diese Dimension ist eine gebrochene Zahl, also ist die Küste Englands ein Fraktal.

7.2 Allgemeine Formel

Durch einige Umformungen der erhaltenen Formeln kommt man auf folgende allgemeine Formel für die fraktale Dimension df:
E:\Eigene Dateien\Privat\facharbeit\facharbeit48.wmf

8 Mandelbrot- und Julia-Mengen

Erweitert man die in Kapitel 3 und 4 benutzen Verfahren auf den Körper C der komplexen Zahlen und veranschaulicht diese in der Gaußschen Zahlenebene ergeben sich weitere interessante Zusammenhänge und Entwicklungen bis hin zum sogenannten “Apfelmännchen”, dem Wahrzeichen der Chaos-Forscher und dem bekanntesten Fraktal überhaupt. Die im Kapitel 3.1 vorgestellte Iteration reeller Funktionen wird jetzt mit komplexen Funktionen durchgeführt. Die im Folgenden betrachtete Funktion ist die spezielle quadratische Funktion:
fc(z) = z² + c mit z, c Element C.

8.1 Mandelbrot-Mengen

Zum Berechnen der Mandelbrot-Menge (benannt nach Benoit B. MANDELBROT) hält man z fest und wählt dann für c verschiedene Werte, also verschiedene Punkte der Gauß-Ebene. Weil c variiert, spricht man auch von der c-Ebene.
Mit z0 = 0 ergibt sich eine relativ einfache Rechnung. Die Iterationen gestalten sich dann so:
c1 = fc(0) = c, c2 = fc (c1) = c2 + c, c3 = fc(c2) = c4 + 2c3 + c2 + c , ...
Beispiel: c = 2i
c2 = -4 + 2i, c3 = 12 – 14i, c4 = -52 – 344 i, ...
Für die Mandelbrot-Menge ist jetzt relevant, ob diese Folge divergiert oder konvergiert. Um dies zu entscheiden betrachtet man anstelle der Zahlen cn = xn + i yn deren Beträge |cn| =
E:\Eigene Dateien\Privat\facharbeit\facharbeit49.wmf
. Es entsteht dann eine Folge reeller Zahlen, deren Divergenz oder Konvergenz man wie üblich bestimmen kann. Im Beispiel sieht diese Folge so aus:
|c1| =2, |c2| =
E:\Eigene Dateien\Privat\facharbeit\facharbeit50.wmf
, |c3| =
E:\Eigene Dateien\Privat\facharbeit\facharbeit51.wmf
, |c4| =
E:\Eigene Dateien\Privat\facharbeit\facharbeit52.wmf

Diese Folge ist eindeutig divergent. Nimmt man der Reihe nach die Punkte c der Zahlenebene und markiert Punkte der Nichtdivergenz schwarz. Allerdings ist diese Aufgabe viel zu aufwendig, um sie von Hand zu erledigen. Es muß also wieder einmal der Computer als Rechenknecht dienen. Das Vorgehen ist ähnlich wie beim Feigenbaum-Diagramm. Man läßt den Computer eine bestimmte Anzahl von Iterationen durchführen und überprüft dann, ob die Folge eine bestimmte Grenze nicht überschreitet. Das Verfahren ist zwar streng genommen ungenau, aber die einzige realistische Möglichkeit. Die Menge der gefundenen Punkte wird als Mandelbrot-Menge bezeichnet (dies gilt auch für andere komplexe Funktionen). In der Schreibweise der Mengenlehre sieht ihre Definition so aus:
M = { c Element C | |cn| < A, n Element N } (realistische Mandelbrot-Menge)
oder im Idealfall (nach unendlich vielen Iterationen):
M = { c Element C | E:\Eigene Dateien\Privat\facharbeit\facharbeit53.wmf|cn| E:\Eigene Dateien\Privat\facharbeit\facharbeit54.png Unendlich ∞ } (ideale Mandelbrot-Menge)
A ist also bei der realistischen Mandelbrot-Menge die Grenze für c, an der der Punkt als divergent angesehen wird und N die Zahl der Iterationen, bei der er als konvergent erscheint. Mit dem in Anhang B abgedruckten Programm ergab sich dieses Bild:

E:\Eigene Dateien\Privat\facharbeit\facharbeit55.png

Abb. 8.1: Mandelbrot-Menge berechnet mit A=2 und N=20
Das Apfelmännchen hat eine ganze Reihe mathematischer Eigenschaften, die teilweise bewiesen sind, teilweise aber auch nicht. Aufgrund des begrenzten Umfangs dieser Facharbeit, beschränke ich mich hier darauf, die einfachste Eigenschaft (nämlich die Symmetrie) zu beweisen und einige weitere Eigenschaften anzugeben.
Satz: Das Apfelmännchen ist zur reellen Achse symmetrisch.
Beweis (nach [1]):
Betrachtet man einen Punkt c = x + iy der c-Ebene, der Element der Mandelbrot-Menge ist, so gilt
E:\Eigene Dateien\Privat\facharbeit\facharbeit53.wmf|cn| E:\Eigene Dateien\Privat\facharbeit\facharbeit54.png unendlich
Der Punkt, der bezüglich der x-Achse “gegenüber” liegt, heißt komplex konjugierter Punkt Ç = x – iy. Nach einer Iteration ergeben sich für c und Ç die folgenden Werte:
fc(c) = c2 + c = (x2 – y2 + x) + i (2xy + y)
fc(Ç) = Ç2 + Ç = (x2 – y2 + x) – i (2xy + y)
Es ist also |fc(c)| = |fc(Ç)|. durch vollständige Induktion gelangt man über |fn(c)| = |fn(Ç)| zu
E:\Eigene Dateien\Privat\facharbeit\facharbeit53.wmf
|fn(c)| =
E:\Eigene Dateien\Privat\facharbeit\facharbeit53.wmf
|fn(Ç)| und damit ist Ç ⊂ M.
Als weitere Eigenschaft läßt sich angeben, daß M in eine Kreisscheibe mit dem Mittelpunkt 0 und dem Radius 2 eingebettet ist (Beweis siehe [1]). Außerdem ist der Hauptkörper des Apfelmännchens durch eine kardiodenförmige Kurve begrenzt. Die Gleichung der Randkurve ist (nach [1]) c =
E:\Eigene Dateien\Privat\facharbeit\facharbeit56.wmf
, mit t ⊂ 3.

8.2 Ausschnittsvergrößerungen des Apfelmännchens

Ähnlich wie beim Feigenbaum-Diagramm lassen sich auch bei der Mandelbrot-Menge Ausschnittsvergrößerungen durchführen, die zu immer neuen Bildern führen, in denen auch das Apfelmännchen immer wieder auftaucht, aber auch andere Strukturen wie Äste, Schnecken, Spiralen, Seepferdchen usw. Zeitler und Neidhardt schreiben in [1]:
"Man sollte den Rand des Apfelmännchens selber mit dem 'Mikroskop' absuchen. Da dieser Rand unendlich lang ist, kann man Neuland beschreiten und noch nie gesehene Bilder erzeugen. Selber Forscher sein! Es lohnt sich!"
Und damit die Ergebnisse wirklich “schön” werden, wendet man einen Trick an, um die Bilder von Schwarz/Weiß zur Farbe zu bringen. In dem Bereich, in dem normalerweise keine Punkte gesetzt werden, werden jetzt farbige Punkte gesetzt, deren Farbe vom Wert für N abhängt, bei dem es zur Divergenz kommt. Das gesamte Apfelmännchen selbst sieht dann so aus:
E:\Eigene Dateien\Privat\facharbeit\facharbeit57.png

Abb. 8.2: Mandelbrot-Menge im Bereich x⊂[-2.5;1.59], y⊂[-1.5;1.5]
In Ausschnittsvergrößerungen finden sich die folgenden besonders schönen Bilder (die Angabe des Bereiches enthält zuerst das Intervall für x, dann das für y in folgender Notation: [xmin;xmax];[ymin;ymax]):
E:\Eigene Dateien\Privat\facharbeit\facharbeit58.png
Abb. 8.3: ([-0.0099;- 0.0037];[0.8041;0.8088])
E:\Eigene Dateien\Privat\facharbeit\facharbeit59.png

Abb. 8.5: ([-0.7813;-0.7771];[0.1330;0.1361])
E:\Eigene Dateien\Privat\facharbeit\facharbeit60.png

Abb. 8.4: ([-1.6768;-1.6714];[0.0020;0.0021])
E:\Eigene Dateien\Privat\facharbeit\facharbeit61.png

Abb. 8.6: ([-0.0885;-0.0884];[-0.8569;-0.8571])

8.3 Julia-Mengen

Zur Erzeugung der nach dem französischen Mathematiker Gaston JULIA benannten Julia-Mengen geht man ebenso vor, wie bei den Mandelbrot-Mengen, verändert jedoch nicht den Wert für c, sondern den für z.
Die Definition der Julia-Menge sieht also so aus:
Jc = { z ⊂ " |
E:\Eigene Dateien\Privat\facharbeit\facharbeit62.wmf
|zN|
E:\Eigene Dateien\Privat\facharbeit\facharbeit54.png
∞ } (ideale Julia-Menge)
Jc = { z ⊂ " ||zN| < A } (realistische Julia-Menge)
Auch die Julia-Mengen haben interessante Eigenschaften, von denen ich jedoch hier auch nur die Symmetrie beweisen werde.
Satz: Jede Julia-Menge ist zum Ursprung punktsymmetrisch.
Beweis (nach [1]):
Ausgangspunkt ist z ⊂ Jc. Es gilt dann
E:\Eigene Dateien\Privat\facharbeit\facharbeit62.wmf
|fn(z)|
E:\Eigene Dateien\Privat\facharbeit\facharbeit54.png
∞. Der Punkt, der bezüglich des Ursprungs zu z symmetrisch liegt ist –z. Nach der ersten Iteration ergibt sich fc(z) = z2 + c = (-z)2 + c = fc(-z). Weiter ergibt sich dann |fn(z)| = |fn(-z)| und damit
E:\Eigene Dateien\Privat\facharbeit\facharbeit62.wmf
|fn(z)| =
E:\Eigene Dateien\Privat\facharbeit\facharbeit62.wmf
|fn(-z)|
E:\Eigene Dateien\Privat\facharbeit\facharbeit54.png
∞. Weil z⊂ Jc ist dann auch –z ⊂ Jc.

Für verschiedene c ergeben sich ziemlich unterschiedliche Punktmengen, deshalb verwendet man hier auch den Index c am Buchstaben J. A. Douady beschreibt die Julia-Mengen so: "Es gibt eine unglaubliche Vielzahl von Julia-Mengen: Einige sehen aus wie dicke Wolken, andere wie dorniges Gestrüpp, wieder andere wie Funken, die nach der Explosion eines Feuerwerkskörpers in der Luft schweben. Eine sieht aus wie ein Kaninchen, viele haben Schwänze wie Seepferdchen." (aus [1]). Der eigenen Phantasie und Experimentierfreude sind keine Grenzen gesetzt.

Auch hier seien wieder einige schöne oder aussagekräftige Beispiele dargestellt:
E:\Eigene Dateien\Privat\facharbeit\facharbeit63.png

Abb. 8.7: c = 0.279225 + i · 0.539797
E:\Eigene Dateien\Privat\facharbeit\facharbeit64.png


Abb. 8.8: c = -0.095775 + i · 0.652297

Wie man erkennen kann, sind manche Julia-Mengen zusammenhängend, manche unzusammenhängend. Daraus ergibt sich ein interessanter Zusammenhang zwischen Mandelbrot- und Julia-Mengen. Die Julia-Mengen Jc, deren Parameter in der Mandelbrot-Menge enthalten ist, sind zusammenhängend.
Wie bei der Mandelbrot-Menge, kann man auch bei der Julia-Menge etwas Farbe ins Spiel bringen, indem man die Anzahl der Iterationen mit unterschiedlichen Farben darstellt:

E:\Eigene Dateien\Privat\facharbeit\facharbeit65.png

Abb. 8.9: c = -0.5125 + i · 0.56875

E:\Eigene Dateien\Privat\facharbeit\facharbeit66.png
Abb. 8.10: c = 0

Wie man sehen kann, gibt es auch “langweilige” Julia-Mengen (Abb. 8.10), die beispielsweise Kreisform haben. Natürlich lassen sich auch von Julia-Mengen Ausschnittsvergrößerungen anfertigen. Dabei macht man manche überraschende Entdeckung, zum Beispiel ein Apfelmännchen in einer Julia-Menge!

E:\Eigene Dateien\Privat\facharbeit\facharbeit67.png

Abb. 8.11: c = -0.75 im Bereich [-0.20;0.19];[0.58;0.88]

9 Fraktale Bildkompression – eine Anwendung

Eine Anwendung dieser Kenntnisse über Fraktale und vor allem Selbstähnlichkeit ist die fraktale Bildkompression. Das Prinzip dieser Art von Kompression beruht darauf, daß es in fast jedem Bild Elemente gibt, die durch andere Teile nach Skalierung angenähert werden können. Als Ergebnis erhält man also eine Menge von Transformationen, die man wiederholt auf ein beliebiges Anfangsbild anwendet und damit das Originalbild annähert. Eine interessante, nicht unbekannte Eigenschaft, ist die, daß sich das Bild beliebig vergrößern läßt, indem man die Iterationstiefe erhöht. diese Idee stammt von M. Barnsley, der wußte, daß es möglich ist, durch fraktale Algorithmen realistische Landschaften zu erzeugen, und den Vorschlag machte, ähnliche Algorithmen für vorgegebene Bilder zu verwenden. Es könnten dann für jeden Ausschnitt des Bildes nur die für den Algorithmus notwendigen Parameter gespeichert werden. Die Dekompression ist dann kein Problem, die Suche nach passenden Algorithmen ist jedoch nicht ganz einfach.
Als Beispiel muß einmal wieder das Sierpinski-Dreieck dienen. Um dieses aus einem leeren Ausgangsbild zu erzeugen, verwendet man die folgenden drei Transformationen:
E:\Eigene Dateien\Privat\facharbeit\facharbeit68.wmf

E:\Eigene Dateien\Privat\facharbeit\facharbeit69.wmf

E:\Eigene Dateien\Privat\facharbeit\facharbeit70.wmf

Insgesamt ist dann
E:\Eigene Dateien\Privat\facharbeit\facharbeit71.wmf
.
Geht man von einer beliebigen Ausgangsmenge A(0)={(x,y) | 0>x>1, 0>y>1} aus und setzt A(n)=W(A(n-1)), dann wird jeder Punkt der Menge A(n) auf drei Punkte der Menge A(n+1) abgebildet. die ersten vier Iterationen sehen dann so aus:

E:\Eigene Dateien\Privat\facharbeit\facharbeit72.png

Abb. 9.1: Entwicklung des Sierpinski-Dreiecks aus der Transformation W (aus [7])
Läßt man n gegen unendlich gehen entsteht (unabhängig von A(0)) das Sierpinski-Dreieck. Nach häufiger Anwendung der Transformationen wird das Ausgangsbild A(0) zu einem Punkt der Zielmenge. Wenn man komplexere Transformationen einsetzt, lassen sich auch realistischere Bilder erzeugen:
E:\Eigene Dateien\Privat\facharbeit\facharbeit73.png

Abb. 9.2: Entstehung eines Farnblattes durch Ähnlichkeits-Transformationen (aus [7])
Um dieses Prinzip tatsächlich auf beliebige Bilder anwenden zu können, muß man es etwas erweitern. Man verwendet dazu das PIFS (partitioned iterated function system), bei dem die Transformation W nicht auf das gesamte Bild sondern auf einen Ausschnitt angewendet wird.
Die Kompression geschieht dann also in zwei Schritten:
  1. Unterteilung des Bildes in größtmögliche Bereiche.
  2. Suche nach Transformationsparametern für jeden Bereich.
Es müssen also die einzelnen Bereiche und für jeden Bereich die Transformationsparameter gespeichert werden. Wie groß das Bild nach der Kompression ist, hängt also vor allem davon ab, in wie viele Bereich man das Bild unterteilen muß.
Das derzeit beste Kompressionsverfahren kommt von der University of Bath in Großbritannien. Die “hybrid image compression with implicit fractal terms”-Systeme kommen dank komplexerer Basis-Funktion und vorbestimmter Einteilung ohne Suche aus und sind daher sehr schnell.

Anhang A

Program Feigenbaum_4;
{ Zeichnet ein Feigenbaum-Diagramm in einem festgelegten Bereich für den
Parameter a
(c) 1997 by René Rondot }

Uses Graph;

Const Anfang : Real = 0; { Startwert für a }
xSkal = 150; { Skalierung in x-Richtung }

Var x,m : Real;
i : Word;
s : String;
gr : Integer;

Procedure KOS;
Begin
Line(0,400,640,400);
Line(25,0,25,410);
m:=Anfang;

Repeat
m:=m+0.5;
SetLineStyle(SolidLn,0,1);
Line(round((m-Anfang)*xSkal)+25,395,round((m-Anfang)*xSkal)+25,405);
SetLineStyle(DottedLn,0,1);
Line(round((m-Anfang)*xSkal)+25,0,round((m-Anfang)*xSkal)+25,395);
Str(m:2:1,s);
OutTextXY(round((m-Anfang)*xSkal),405,s);
Until m>=4;

m:=0;
SetLineStyle(SolidLn,0,1);

Repeat
m:=m+0.1;
Line(25,round((1-m)*400),30,round((1-m)*400));
Str(m:2:1,s);
outtextxy(0,round((1-m)*400)-4,s);
Until m>=1.1;

End;

Begin
gr := 0;
InitGraph(gr,gr,'E:\BP\BGI'); KOS;
m:=Anfang;
Repeat
m:=m+0.001; { Schrittweite }
x:=0.1; { Startwert }
For i:= 1 to 1000 do x := m * x * (1-x); { unsichtbare Iterationen }
For i:= 1 to 100 do { sichtbare Iterationen }
Begin
x := m * x * (1-x);
PutPixel(round((m-Anfang)*xSkal)+25,round((1-x)*400),15);
End;
Until m > 3.999;
Readln;
End.

Anhang B

Program Mandelbrot_1;{ Darstellung der Mandelbrot-Menge für fc(z) = z2 + c
(c) 1997 by René Rondot }Uses Graph,crt;Type Komplex = Record R,I : Extended; End;

Var z,c : Komplex;
g,N : Integer;

{ Prozeduren für komplexe Zahlen }

Procedure KompMul(c,d : Komplex; Var cd : Komplex);
Begin
cd.R := c.R * d.R - c.I * d.I;
cd.I := c.R * d.I + c.I * d.R;
End;

Procedure KompAdd(c,d : Komplex; Var cd : Komplex);
Begin
cd.R := c.R + d.R;
cd.I := c.I + d.I;
End;

Function KompBetr(c : Komplex) : Extended;
Begin
KompBetr := sqrt (c.R*c.R+c.I*c.I);
End;

Procedure KOS;
Begin
Line(320,0,320,480);
Line(0,240,640,240);
Line(520,235,520,245);
Line(315,40,325,40);
Line(315,440,325,440);
End;

Begin
g:=0; InitGraph(g,g,'E:\BP\BGI'); KOS;
c.I := -2;
Repeat
c.R := -2;
Repeat
z.I := 0; z.R := 0; N := 0;
Repeat
KompMul(z,z,z); KompAdd(z,c,z);
Inc(N);
Until (KompBetr(z) > 2) or (N>20);
if N>20 Then PutPixel(Round(c.R*200+320),240-Round(200*c.I),15);
c.R := c.R + 0.005;
Until c.R >= 1;
c.I := c.I + 0.005;
Until c.I >= 1;
Readln;
End.

Anhang C

Literaturverzeichnis:

[1] Herbert Zeitler und Wolfgang Neidhardt: Fraktale und Chaos -Eine Einführung, Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt, 1993
[2] Karl-Heinz Becker und Michael Dörfler: Dynamische Systeme und Fraktale, Friedrich Vieweg Verlag Braunschweig, 1989
[3] H.-O. Peitgen u.a.: Chaos - Ein Arbeitsbuch, Ernst Klett Schulbuchverlag Stuttgart 1992
[4] H.-O. Peitgen u.a.: Fraktale - Ein Arbeitsbuch, Ernst Klett Schulbuchverlag Stuttgart 1992
[5] Günter Hellwig: Höhere Mathematik I - Eine Einführung, Bibliographisches Institut Mannheim 1971
[6] Internet-Seite der University of Bath (http://dmsun4.bath.ac.uk)
[7] Internet-Seite der Universität Saarbrücken (http://www.uni-sb.de)
[8] GEO 7/1985, Artikel "Das Chaos" auf Seite 36 von R. Breuer

Die Abbildungen 8.2 bis 8.10 wurden mit dem Freeware-Programm WinFract v18.21, (c) 1990, 1993 The Stone Soup Group erstellt.


[1] Der Mittelwertsatz lautet folgendermaßen [5]: f sei in [a,b] stetig und in (a,b) differenzierbar. Dann gibt es wenigstens ein Zahl Zeta Element (a,b) mit f'(Zeta) = E:\Eigene Dateien\Privat\facharbeit\facharbeit08.wmf.
Nach Umformung ist f'(Zeta) · (b - a) = f(b) - f(a)

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